"Obama ist ein Geschenk für uns alle"
Wie würde ein schwarzer Präsident das Land verändern? Eine Antwort gibt der Bestseller-Autor Uzodinma Iweala, der wie einst Barack Obama in Harvard und New York studiert
"Ein Schwarzer wird niemals Präsident der Vereinigten Staaten werden." Wer das gesagt hat? Kein weißer Rassist, sondern ein junger Afroamerikaner. Diese Worte waren meine Worte, die ich auf einer Party zu liberalen weißen Freunden sprach, die begeistert von Barack Obamas Kandidatur waren und es bis heute sind. "Amerika ist einfach nicht bereit für so viel Wandel", sagte ich zu ihnen. Meine Freunde fühlten sich beleidigt. Sie wussten, dass ich mit "Amerika" das "weiße Amerika" meinte.
Aber kann man mir vorwerfen, dass ich so denke? Man sollte nicht vergessen, dass man bei der Gründung der Vereinigten Staaten davon ausging, dass Schwarze keine vollwertigen Menschen sind und dass man sie wie Vieh kaufen und verkaufen kann. Es ist weniger als fünfzig Jahre her, dass Schwarze ihre vollen Rechte als Bürger Amerikas einklagten und bekamen. Und selbst in der Zeit nach dem Civil Rights Act, der Mitte der sechziger Jahre die Diskriminierung auf dem Papier beendete, hat der Rassismus überlebt. Bis heute.
Erst vor ein paar Wochen musste ich mich in einem Krankenhaus in North Carolina behandeln lassen. Später fragte der Arzt den Vater meiner weißen Freundin, ob er die Behandlung für mich zahlt. Auf die Idee, ich, ein Schwarzer, könnte mir den Aufenthalt im Hospital selbst leisten, kam er nicht. Solche Geschichten sind ein Grund für meine leichte Skepsis in der Frage, ob Amerika bereit ist für einen Präsidenten Obama. Ein anderer ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob Amerika versteht, was das bedeuten würde.
"Weißt du, was es bedeuten würde, einen Schwarzen als Präsidenten der Vereinigten Staaten zu haben?", fragte mich kürzlich eine schwarze Freundin, als wir vom Hörsaal zu den Labors der Columbia Medical School gingen, an der wir beide studieren. Ich nickte. Es bedeutet vor allem, dass eine ganze Generation von amerikanischen Kindern, gleich welcher Hautfarbe, mit einer vollkommen anderen Vorstellung davon groß würde, was es heißt, ein Schwarzer in den USA zu sein.
Wir leben in einem Land, das sich an Bildern orientiert. Diese Bilder, die uns ständig von der Rückseite der Busse, von Plakaten und dem Fernseher in unserem Wohnzimmer anspringen, sind so wirkungsvoll, dass wir Milliarden an Dollar dafür ausgeben, um sie herzustellen.
Leider haben diese Bilder bis heute ein außerordentlich negatives Image von Schwarzen in der Gesellschaft gezeichnet. Wie viele schwarze Frauen gelten beispielsweise als Sinnbild für Schönheit und Erfolg? Warum sind die beherrschenden Bilder von schwarzen Männern jene, die in den Köpfen unserer Kinder die Ansicht verstärken, Schwarzsein hieße gewalttätig sein? Warum sind die einzigen schwarzen Vorbilder – unter ihnen auch die so unglaublich erfolgreiche Oprah Winfrey – Personen aus Unterhaltung oder Sport? Das alles vermittelt ein Bild von Schwarzen, die Folgendes sind: unintellektuell, bedrohlich und gefährlich.
Man stelle sich nun vor, das beherrschende Bild eines Schwarzen wäre plötzlich das des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Man stelle sich vor, jeden Abend, wenn die Familien vor dem Fernseher die Nachrichten verfolgen, wären sie konfrontiert mit dem Bild eines schwarzen Mannes, und dieser Mann wäre die mächtigste und meistrespektierte Person dieses Landes.
Man stelle sich vor, junge schwarze Männer hätten ein vollkommen anderes Bild, dem sie nacheifern könnten, ein Bild von Erfolg abseits des Sports und abseits der Hip-Hop-Kultur (auch wenn beides keinesfalls etwas Schlechtes ist).
Barack Obama hat seine Ausbildung an zwei Eliteuniversitäten absolviert: an der Columbia University in New York und in Harvard. Er ist einen ähnlichen Weg gegangen wie ich: Nach einem Englischstudium in Harvard absolviere ich nun ein Studium der Medizin an der Columbia. Ich glaube, der Grund, warum afroamerikanische Studenten Obama in so großem Maße unterstützen, ist nicht nur, dass er die gleichen Erfahrungen gemacht hat wie wir. Wir, die afroamerikanischen Studenten heute, sehen auch das Versprechen, das sich mit Obamas Geschichte verbindet.
Ich hoffe sehr, dass sein leuchtendes Beispiel mehr schwarze Studenten dazu bringen wird, Yes, we can zu einem System zu sagen, dass ihnen oft sagt: No, you can’t. Und ich glaube fest daran, dass dieses Beispiel mehr junge schwarze Männer dazu motivieren wird, einen ähnlichen Weg zu gehen und den höchsten akademischen Erfolg anzustreben.
Die amerikanischen Topuniversitäten sind bisher Enklaven einer sehr weißen Elite. Sie würden sehr davon profitieren, wenn mehr Schwarze studieren würden. Es ist auffällig, dass der Anteil der Schwarzen, die an amerikanischen Eliteuniversitäten eingeschrieben sind, bei etwa zehn Prozent liegt, dabei stellen sie rund 13 Prozent der Bevölkerung der USA. Andere Gruppen, vor allem Juden und Asiaten, stellen einen weit geringeren Teil der Gesamtbevölkerung, sind dagegen an den Eliteinstitutionen des Landes sehr stark vertreten.
Meine schwarzen Freunde aus Harvard-Zeiten und ich sprechen über solche Zahlen relativ häufig. Denn der fehlende Austausch zwischen Weißen und Schwarzen und die mangelnde Repräsentanz afroamerikanischer Standpunkte unter amerikanischen Elitestudenten, die irgendwann einmal zu den Entscheidungsträgern gehören werden, kann unserem Land in Zukunft sehr schaden.
Die Bürger der Vereinigten Staaten mögen es grundsätzlich nicht, über das komplexe und quälende Kapitel ihrer Rassengeschichte zu sprechen. Die Universitäten machen da keine Ausnahme. Ich kenne viele weiße Studenten, die noch nie mit einem Afroamerikaner geredet hatten, bis sie mich trafen. In vielen Seminaren, in denen ich gesessen habe, war ich der einzige Schwarze. Auch ich habe dabei meinen Teil an Rassismus abbekommen. Fast immer beruhte er nicht auf Boshaftigkeit, sondern auf schlichter Ahnungslosigkeit.
Weiße Studenten, die immer nur mit ihresgleichen zu tun haben, wissen einfach nicht, wann ihre Standpunkte und Meinungen für uns Schwarze verletzend sind. Ich bin wirklich kein Freund von diversity aus Selbstzweck, aber Amerikas junge Köpfe müssen lernen, wie man Unterschiede und Vielfalt versteht; sonst werden sie zu intoleranten Menschen, die gefangen bleiben in ihrem alten Denken. Auch deshalb sollten tüchtige und talentierte Afroamerikaner – und es gibt davon mehr, als viele zugeben wollen – den gleichen Zugang zu Chancen und Bildung haben wie alle anderen Bürger dieses Landes auch.
Natürlich sind acht Jahre – angenommen, Obama würde 2012 wiedergewählt – eine kurze Zeit. Dennoch würde für Millionen junger Amerikaner das Bild von Schwarzen komplett neu definiert. Dieser Gedanke macht mich schwindelig vor Hoffnung auf eine gute Zukunft für mein Land und gleichzeitig ängstlich, dass konservative Neigungen in so vielen Amerikanern verhindern werden, dass Obama gewählt wird.
Was ist mit den älteren weißen Bürgern, jenen, die mich anschauen und automatisch annehmen, dass ich nichts Gutes im Schilde führe? Die völlig überrascht sind, wenn ich meinen Mund öffne und komplette Sätze spreche? Es ist schwieriger, die Einstellung von Menschen zu verändern, die ein festes Weltbild haben; aber womöglich würde das neue Bild eines Schwarzen auch diese Menschen dazu zwingen, ihre Einstellung grundsätzlich zu überdenken.
Mein Vater ist Neurochirurg, er hat seine Ausbildung in den Siebzigern und Achtzigern in England absolviert. Er erzählte mir die Geschichte eines seiner Patienten aus dieser Zeit: ein alter weißer Mann in jenem Krankenhaus, der extrem rassistische Vorstellungen von Schwarzen hatte. Eines Tages wurde mein Vater gebeten, einige Wochen lang für diesen Mann zu sorgen. Nachdem dieser wieder gesund war und nach Hause konnte, schickte er meinem Vater einen Brief. Darin bedankte er sich nicht nur für dessen Hilfe, sondern auch – was viel wichtiger war – dafür, dass mein Vater ihm die Augen geöffnet hatte für den Hass, den er in sich trug. Das Leben und die Meinungen dieses Mannes hatten sich plötzlich geändert, und das nur durch die Bekanntschaft mit einem intelligenten, starken und fürsorglichen schwarzen Mann. Es ist also jederzeit möglich, das Denken zu verändern.
Ich glaube deshalb, dass Obama seine größte Wirkung nicht in der Außenpolitik, sondern in einem Amerika entfalten wird, das zu ängstlich ist, sich den eigenen Rassenverbrechen zu stellen, zu konzentriert auf die eigene Bequemlichkeit, um die sehr unbequeme Diskussion über Rassen und Vorurteile zu führen. Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten würde diese Diskussion in die Köpfe und Herzen vieler Menschen zwingen. Vielleicht, wirklich nur vielleicht, würde das die Art und Weise verändern, wie wir Amerikaner uns selbst sehen – und wie wir uns dem Rest der Welt gegenüber verhalten.
Wird nun ein schwarzer Mann Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein? Wir werden bis zum 5. November warten müssen, um das herauszufinden, dem Tag, an dem die Wahlergebnisse eintreffen. Da feiere ich übrigens meinen 26. Geburtstag. Ich hoffe, ich bekomme das Geschenk meines Lebens.
kennedy ryan-instagram
vor 7 Jahren
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